Kommentar der Freien Wähler Tuttlingen zur Haushaltsrede 2019

Sehr geehrter Herr OB Beck, Sehr geehrter Herr EBM Buschle,
geschätzte Stadträtinnen, Stadträte, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
verehrte Bürgerinnen und Bürger der Stadt Tuttlingen, liebe Medienvertreter,

zunächst einen großen Dank an alle Beteiligten für die konstruktive Zusammenarbeit für das Wohl und die Zukunft unserer Stadt.

Ein besonderer Dank geht an Herrn Keller und seine fleißigen Mitarbeiter für die viele Arbeit, die in diesem Haushaltsplan 2019 steckt.

Wir Freien Wähler schauen immer auf die Finanzen und auf einen tragfähigen Haushalt. Wir berücksichtigen die wirtschaftliche Gesamtsituation der Stadt und ihren Eigenbetrieben.

Mit Herrn Keller haben wir eine hervorragende Person, der diese Grundsätze ordnungsgemäßer Buchhaltung hervorragend umsetzt.

Mit einen negativen ordentlichen Haushaltsergebnis von -6,8€ Mio ist es sicher nicht einfach allen gerecht zu werden. Der Begriff „Tetris“ trifft hier im vollen Umfang zu. Doch wer das Spiel Tetris kennt, weiß, dass es mit der Zeit immer schwieriger und kniffliger wird und man es am Ende immer verliert.

Wir müssen daran arbeiten, dass uns dieses Schicksal erspart bleibt.

Denn auch beim Haushaltsplan 2020 sehen wir, wie die Zahlen bei Einnahmen und Ausgaben ständig steigen. Wir haben wieder einen Rekordhaushalt.

Zwar sprudeln auf der einen Seite die Steuereinnahmen noch und die Zuwendungen aus Fördertöpfen, aber auf der anderen Seite steigen auch die Ausgaben für unsere wachsende Stadt.

Dabei dürfen wir nie vergessen, dass es sich, anders als bei Tetris, nicht um ein bloßes Spiel handelt, sondern hinter den Zahlen natürliche Ressourcen sowie Menschen mit Bedürfnissen stehen.

Hinter den Einnahmen stehen Ressourcen wie z.B. Flächen, die begrenzt sind. Aber auch Menschen und ihre Unternehmen, die in der Stadt arbeiten oder wohnen und ihre Steuern hier in Tuttlingen zahlen. Für die vielen mittelständischen Unternehmen in Tuttlingen gehören häufig auch Tradition und Werte zu den Gründen, ihren Standort in Tuttlingen zu belassen. Doch das allein reicht für eine Standortentscheidung nicht aus. Unternehmen brauchen Gewerbeflächen, gut ausgebildete Fachkräfte und mit der wachsenden Digitalisierung auch Zugang zu schnellem Internet.

Immer mehr Selbständige und freiberuflich Tätige werden sich mit ihrem Laptop in den Cafés der Stadt niederlassen oder arbeiten einfach von zuhause aus, wenn sie dort ausreichend Internet vorfinden.

Wer diesen Trend als Zukunftsmusik bezeichnet, verkennt die Geschwindigkeit, mit der die Industrialisierung 4.0 voran schreitet. Diese Entwicklung haben wir schon fast verpasst.

Deshalb müssen Stadt und Landkreis dringend für flächendeckend schnelles Internet und freies WLAN sorgen und auch die Jobs der Zukunft fördern.

Gleichzeitig benötigen wir aber auch diejenigen, die körperlich arbeiten. Handwerker und Fabrikarbeiter, Reinigungskräfte und Pflegekräfte werden ebenfalls benötigt und händeringend gesucht. Der Kampf um diese Fachkräfte wird härter.

Und gerade, weil hinter den Einnahmen die Arbeit von Menschen steht, lehnen wir eine Erhöhung der Gewerbesteuer strikt ab! Die Gewerbesteuereinnahmen sollten sich durch mehr Gewerbe erhöhen lassen und nicht durch eine Erhöhung der Gewerbesteuer. In Gänsäcker entstehen dafür gerade Flächen.

Der Gemeindeanteil der Einkommensteuer ist mit ca. € 21,4 Mio. mit einem leichten Rückgang behaftet. Dieser Betrag sollte mittelfristig wieder steigen, da die Einwohnerzahl von 37000 Tuttlingern/innen angestrebt wird. In den nächsten Jahren wird dieser Anteil ein wichtiger Bestandteil der Haushaltsfinanzierung sein.

Doch auch hinter den Ausgaben stecken Menschen mit ihren Bedürfnissen und natürliche Ressourcen.

Kinder und alte Menschen, die in Kitas und Altenheimen betreut werden müssen,

Jugendliche, die intakte Schulgebäude brauchen und ein wachsendes Bedürfnis nach Mobilität und bezahlbarem Wohnraum…

Kindertagesstätten, Sporthallen und Schulen sind Investitionen in die Zukunft.

Um dennoch das Tetrisspiel nicht zu verlieren, werden wir immer stärker zwischen Pflicht und Kür unterscheiden müssen. Andernfalls sehen wir uns ganz schnell wieder mit sehr schmerzhaften Sparmaßnahmen konfrontiert.

Zur Pflicht gehören ohne Zweifel Kindertagesstätten, Kindergärten und Schulen. Denn es gibt keine wichtigere Ausgabe als Bildung. Deshalb ist es gut, dass die Kita im Torhaus umgesetzt wird.

Die steigenden Personalkosten sind ebenfalls eine Pflichtaufgabe. Nicht nur aufgrund der steigenden Tarifverträge, sondern auch, weil in einer wachsenden Stadt mit wachsenden Bedürfnissen logischerweise auch ein steigender Bedarf an qualifiziertem Personal besteht.

Die Personalkosten steigern sich von Jahr zu Jahr. Im Jahre 2019, lagen die Personalkosten noch bei 31,14 Mio €. Wir liegen nun im Ansatz bei 35,08 Mio. Also fast 3,94 Mio € mehr.

Um dies etwas abzufedern, gibt es vielleicht Bereiche, wo externe Träger einiges effizienter leisten können als die Stadt selbst? Z.B. beim der Verkehrsrechner Betreuung.  Auch bei der Digitalisierung der Abläufe können langfristig die Mitarbeiter entlasten, wenn sie mit dem richtigen Maß angegangen werden.

Der Kampf um qualifiziertes Fachpersonal ist noch intensiver geworden. Vielleicht können mit zusätzlichen Leistungen (nicht nur monetär) die Mitarbeiter noch mehr motiviert werden. Die Stadt sollte das Thema Ausbildung noch weiter ausbauen, um für die nächsten Jahre die Eigenversorgung an Fachkräften zu sichern.

Eine weitere Pflichtaufgabe sehen wir in der Instandhaltung von Gebäuden und Straßen.

Nicht nur die Bildungseinrichtungen müssen in Stand gehalten werden, sondern auch Schwimmbäder, Verwaltungsgebäude und Verkehrswege. Nach den Personalkosten liegen hier die größten Ausgabeposten. Die Kosten für die Sanierung der beiden Gymnasien werden wir genau im Auge behalten um eine Kostensteigerung zu vermeiden.

Doch wir dürfen nicht nur überlegen, welches Projekt wir in Angriff nehmen, sondern auch wie umfangreich wir das ein’ oder andere anpacken. Müssen wir immer das maximal mögliche tun? Reicht bei dem ein’ oder anderen Projekt nicht auch mal eine Nummer kleiner? Oder kann eine zum aktuellen Zeitpunkt größere Ausgabe nicht später Geld sparen? Ein wirtschaftliches Denken ist gefordert!

Der Bau bezahlbaren Wohnraums wird indes ebenfalls immer mehr zur Pflichtaufgabe. Doch werden in Zukunft weitere Flächen benötigt, damit bezahlbarer Wohnraum gebaut werden kann. Tiergarten, Bodenseestr,Schützenstr.,Neuhauserstr. und die Entwicklung des Bahnhofsareals sind nur einige die hierfür schon vorgesehen sind. Die neugeschaffenen Flächen müssen lukrativ für Investoren sein.

Allerdings reagieren die Bürger der Stadt mit Unverständnis auf die einerseits immer häufiger geäußerte Absichtserklärung, mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen zu wollen, aber andererseits nehmen Auflagen zu, wächst die Bürokratie und Genehmigungsverfahren ziehen sich hin.

Daran ist die Stadt Tuttlingen gewiss nicht schuld, kommen doch viele Auflagen und Bestimmungen aus Stuttgart, Berlin und Brüssel… aber seien wir ehrlich: Eine Stadtverwaltung hat auf den explodierenden Bürokratismus deutlich mehr Einfluss als der private Hausbauer, zumal die Stadt selbst bei den eigenen Bauprojekten darunter leidet.

Deshalb ist es wichtig, alle Bestimmungen und Auflagen in Genehmigungsverfahren, Bebauungsplänen sowie bei den eigenen Bauprojekten und Sanierungsmaßnahmen auf ihre Notwendigkeit zu überprüfen und wann immer möglich, davon abzusehen.

Der Wohnungsbau muss ermöglicht werden und nicht verhindert!

Zwischen Pflicht und Kür stehen Ausgaben, bei denen wir entscheiden müssen, ob wir sie tätigen wollen oder nicht. Das wird auch in Zukunft nicht einfacher.

Beim ÖPNV sind wir und der Landkreis gefordert. Dem wachsenden Mobilitätsbedürfnissen können wir nur gerecht werden, wenn der Bus- und Bahnverkehr gefördert wird, um mehr Menschen vom Auto auf den öffentlichen Verkehr zu bewegen.

Das wird jedoch nicht reichen. Auch müssen wir uns Gedanken machen wie wir Autos und Fahrräder parkieren, dass ein einfaches Umsteigen und ein unbürokratischer Erwerb der Tickets für Bahn und Parken ermöglicht wird.

Ein Teil der Menschen wird immer Auto fahren und Parkplätze nachfragen, auch wenn es sich dabei vielleicht bald um Elektro- und Wasserstoffautos handelt. In Betracht ziehen könnte man ein zweites Parkdeck auf dem Donauspitz. Damit könnte man auch den Parkplatzsuchverkehr in der Innenstadt reduzieren.

Weitere Projekte müssen wir umsetzen, weil sie wichtig für  Tuttlingen sind und die Bürger schon lange darauf warten. Dazu gehört das Union Areal ebenso das Donautec und die Innenstadtentwicklung Nendingen. Auch der Hochwasserschutz in Möhringen muss vorantreiben werden, damit das Gebiet „Heuhäusle“ endlich bebaut werden kann.

Da müssen wir in Zukunft auch sehr auf die Zahlen schauen!

Denn es wird nie ein Haushaltsjahr geben, in dem wir uns alles leisten können, was wir uns wünschen.
 

Wir Freie Wähler schlagen der Verwaltung im kommenden Jahr eine Klausurtagung des Gemeinderats vor, um Ideen für die Stadt zu entwickeln. Die Gemeinderäte lernen sich besser kennen und gehen in der Zukunft konstruktiv und auf Augenhöhe miteinander um.

Insgesamt sind wir guten Mutes, dass wir beim Tetris Spielen auch das 2020 Level gut überstehen. Damit das auch in Zukunft so bleibt, muss die Haushaltsdisziplin das Fundament einer verantwortungsvollen Politik sein. Die Freien Wählern wünschen allen frohe Weihnachten und ein gesundes Erfolgreiches Start in das Jahr 2020.

Vielen Dank!